Polizisten sind auch nur Menschen
Polizisten sind auch nur Menschen – lacht über sie!
Ein Gastbeitrag für Spiegel online
Sag mir, worüber du lachst, und ich sage dir, wer du bist. Geht so das Sprichwort? Wenn nicht, sollte es das. Jeder kennt Blondinen-Witze, Oma-Witze, Polen-Witze, Juden-Witze… Kennt man auch Witze über (blonde) Männer? Über Innenminister? Die Polizei? Über die, die strukturell mehr Macht haben, lacht man lieber nicht.
Deutsche machen keine Witze über Deutsche, was schade ist, ich kann es als Jüdin nur empfehlen – wir machen uns ständig über uns selber lustig. Aber Deutsche lachen selten mit. Ich habe jahrelang versucht, mit jüdischen Witzen Menschen in Deutschland aufzuheitern, und es irgendwann aufgegeben, weil mein Gegenüber nicht lachte, nicht weil die Pointe nicht zündete, sondern aus Angst vor dem Antisemitismusvorwurf. Allerhand Judenwitze habe ich hierzulande hingegen schon gehört und oft genug zugeschaut, wie sich die Leute dabei vor Lachen die Bäuche hielten. (Anmerkung der Autorin: die Kenntnis, dass es einen Unterschied gibt zwischen jüdischen Witzen und Judenwitzen, kann man in Deutschland leider nicht immer als gegeben voraussetzen, und das erzählt etwas über die Historie dieses Landes. Also hier noch einmal zur Auffrischung: Judenwitze fragen danach, wie viele in einen Aschenbecher passen, jüdische Witze erzählen von der Absurdität jüdischen Lebens. Und ja – das ist nicht dasselbe.)
Damit ein Witz funktioniert, braucht es einige Voraussetzungen: Alle im Raum müssen ähnliche Erwartungen haben (Blondinen sind dumm und können darum keine Glühbirne in die Fassung drehen, Omas sind hässlich und haben darum keinen Sex, Polen klauen etc.) und dieselben Tabus teilen. Witze schaffen durch das Spiel mit Stereotypen das Gefühl von Gemeinschaft.
Man gehört zu einer Gruppe, weil man an denselben Vorurteilen und Verboten festhält. Oder man weiß, dass man nie dazu gehören wird, weil man die Witze der anderen nicht versteht. Und natürlich legt das Machtgefälle nicht nur fest, über wen gelacht wird, sondern auch wer die Witze reißt: In der Sendung „Mitternachtsspitzen“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen säuselte Lisa Eckhart darüber, dass drei der prominenten #MeToo-Angeklagten Juden sind und Juden also deswegen geldgierig sind, weil sie mit ihrem Geld an „Weiber“ rankommen. Im selben Auftritt mutmaßte sie über Bill Cosbys Penis, er sei so groß, dass er „alle sieben Liter Blut braucht, über die ein Mensch verfügt“, danach teilte sie verbale Hiebe gegen Rollstuhlfahrer aus und dachte laut über Päderastie bei Schwulen nach – der Saal klatschte. Niemand hat gebuht.
Als Annegret Kramp-Karrenbauer in einer Karnevalsrede Intersexuelle Menschen als diejenigen klassifizierte, die sich nicht entscheiden können, auf welche Toilette sie gehen wollen (und dafür Lachen und tosenden Applaus erntete), wurde der Auftritt kurz diskutiert, und am Ende hatte sich die Mehrheit darauf geeinigt, dass er eben satirisch war. Klar, es war ja auch Karneval in Deutschland, und auf dem ist es üblich, Minderheiten zu diskreditieren. Jede Nachfrage, ob solche Darbietungen nicht die vom Grundgesetz geschützte Menschenwürde verletzen, wird stets mit demselben Argument abgeschmettert: Humor darf alles, weg mit der – haha – Moralpolizei.
Vergangene Woche stellte Hengameh Yaghoobifarah in ihrer Kolumne „All Cops are berufsunfähig“ in der „taz“ ein Gedankenexperiment an. Wenn man die Polizei abschaffen würde, Polizistinnen und Polizisten aber allesamt rassistisch sind, wohin dann mit ihnen? Ihre polemische Antwort: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“
Der Polizeigewerkschafter Rainer Wendt zeigte Yaghoobifarah daraufhin wegen Volksverhetzung an. Welches Volk, soll das ein Scherz sein? Dürfen Satire nur Menschen mit dem Nachnamen Eckhardt? Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) drohte mit einer Anzeige, rückte nach massivem Protest aber von seinem Vorhaben ab.
Es heißt, nachdem Yaghoobifarahs Kolumne erschienen war, seien Menschen mit Blumen auf Polizeiwachen gerannt, um den Beamten zu versichern, dass sie großartige Arbeit leisten würden. Haben dieselben Menschen nach Annegret Kramp-Karrenbauers Karnevalsauftritt Blumensträuße zu LGBTIQ*-Zentren gebracht?
Wenn wir die Polizei entmystifizieren und als eine Organisation von Menschen begreifen (mit einer Gewerkschaft, mit möglichen Disziplinarverfahren), dann fällt es ihr und uns leichter, einander gegenseitig in die Augen zu schauen. Man muss die Humorlandschaft in Deutschland ausweiten, also Polizisten-Witze so normal machen wie alle anderen Witze auch. Polizisten sind schließlich auch nur Menschen. Ist es nicht das, was sie wollen, dass man von ihnen denkt? Dann darf man auch über sie lachen.
Vielleicht haben wir dann auch weniger Angst voreinander. Einen Witz zu machen ist auch eine Möglichkeit, zu sagen: Ich sehe dich. Das ist das, was wir mit jüdischen Witzen die ganze Zeit machen. Wir beobachten uns, wir kritisieren uns, wir lachen. Kritikfähigkeit ist die Basis einer jeden Demokratie, Humorfähigkeit auch. Unantastbarkeit und Tabuisierung nährt den Boden, auf dem Gewalt unverfolgt immer wieder ausbrechen kann. Für die Integration von Polizisten in eine demokratische Gesellschaft: Macht Witze über sie!