Muttersprache Mameloschn
Szene
Clara: Macht die Musik aus.
Rahel: Wieso?
Clara: Macht die Musik aus.
Rahel: Uns gefällt es.
Lin: Rahel, mach die Musik aus bitte.
Clara: Schade, dass es die DDR nicht mehr gibt, sonst könntet ihr beide zurückgehen und dort eueren jüdischen Chor aufmachen.
Lin: Du hast die Balalaika gemocht als Kind.
Clara: Kann mich nicht daran erinnern.
Lin: Ich habe Fotos davon, wie wir beide auf Plastikschaufeln spielen und Partisanenlieder singen.
Clara: Hast du mir damals erklärt, was ich so singe oder mich einfach süß gefunden mit der Schaufel in der Hand?
Lin: Du sahst sehr süß aus.
Clara: Dein persönliches sozialistisches Maskottchen.
Lin: Du hast sehr schön gesungen.
Clara: Das war vor meinem Stimmbruch.
Lin: Ich habe dich nie zu etwas gezwungen.
Clara: Propaganda betrieben.
Lin: Hat ja nichts genützt offensichtlich.
Clara: Hat sehr viel genützt. Ich habe Sensoren entwickelt, die mich gegen diesen ganzen Dreck schützen.
Rahel: Findest du, wenn ich Jiddisch lerne, ist das Dreck?
Clara: Nein, Sprachen sind etwas Wunderbares. Aber warum Jiddisch, warum nicht Spanisch oder Japanisch, das sind Sprachen, die gebraucht werden.
Lin: Wundere dich nicht, wenn das Mädchen in Amerika bleibt, das hast du dir dann selber zuzuschreiben.
Clara: Und am besten heiratet sie dann auch einen jüdischen Mann und dann gehen sie zusammen nach Israel!
Rahel: Was habt ihr alle mit eueren jüdischen Männern alle! Ich steh überhaupt nicht auf Männer.
Lin: Deine Angst vor Israel ist hier nicht angebracht. Das ist ein anderer Kontinent.
Clara: Das ist alles eins! Ihr wollt einfach gehen! So weit wie möglich. Je weiter weg von mir desto besser! Was meinst du mit ich stehe nicht auf Männer?
Rahel: Was meine ich wohl damit.
Lin: Siehst du, wie weit du das Kind getrieben hast!
Clara: Ich? Ist das meine Schuld?
Rahel: Hey, ich bin nicht krank, ja?
Clara: Wenn überhaupt, ist das deine Schuld.
Lin: Meine? Bei uns gab es so was gar nicht!
Clara: Das macht ihr, um mich zu ärgern!
Lin: Ich mache überhaupt nichts.
Clara: Ihr sagt alles, was mir irgendwie wehtun könnte!
Rahel: Oh mein Gott.
Clara: Ihr macht mich wahnsinnig.
Lin: Du machst dich selber wahnsinnig.
Clara: Das ist mir alles zu viel.
Lin: Und mir nicht?
Clara: Habe ich mich dir aufgedrängt?
Lin: Ach das willst du sagen. Dass ich mich dir aufgedrängt habe. Dann geh ich halt.
Clara: Wohin?!
Lin: Ist doch egal wohin!
Rahel: Wisst ihr was? Ich gehe. Ich gehe ins Hotel. Ich halte es keine Stunde mehr aus in euerer Mischpoche! Ich bin fertig. FERTIG
Clara: Weißt du überhaupt, was Mischpoche heißt?
Rahel: Jiddisch für zusammengerotteter Haufen, der Probleme aus sich selbst heraus produziert und das als Lebensgrundlage braucht. Auch bekannt als FAMILIE
Bilder aus Muttersprache Mameloschn
Foto: Arno Declair / Quelle: deutschestheater.de
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