Die Aristokraten
Sascha: Guck runter.
Schura: Ich habe Angst runterzufallen.
Sascha: Gott wird dich auffangen.
Schura: Sei nicht gemein.
Sascha: Doch, ganz bestimmt.
Schura: Du machst mir ein bisschen Angst, wenn du so bist.
Sascha: Glaubst du nicht?
Schura: Ehrlich gesagt, ist der letzte, über den ich reden will Gott.
Sascha: Wieso? Was hat er dir getan?
Schura: Nicht so viel. Das ist das Problem.
Sascha: Verstehe.
Schura: Mhm.
Sascha: Ja, ja. Ich glaube auch nicht. Also so insgesamt. Entschuldige. (sie kichert)
Ich glaube nicht an den Zerfall. Selbst jetzt. Ich sitze hier und schaue runter und glaube es nicht. So wie ich nicht an die Mutter Maria glaube, den Papst und alle Päpste vor ihm, nicht an Jesus – niemals an ihn, Buddha, wie sie alle heißen. Und Gott, na ja, das ist so eine Sache, ich glaube nicht an Gott, aber ich habe Angst vor den Konsequenzen, sagt man ja so schön und ganz ehrlich gesagt, ich schau hoch und empfinde ja auch keine Demut, ich empfinde keine Scham oder Ehrfurcht oder was man so zu empfinden hat, wenn man hochschaut in den Arsch Gottes, aber ich glaube trotzdem an ihn, so ist es. Tu ich nun mal. Bist du überrascht?
Ich glaube nicht an die Armen, Kranken, an die Bedürftigen, ich glaube nicht an Hass und Neid und ich glaube nicht an die ewige Verdammnis, ich glaube nicht an Sodom und Gomorrha, weil ich nicht an Schuld glaube, ich glaube, dass so ziemlich niemand herabsteigt, um uns für unsere Sünden zu bestrafen, nicht beschissene Engel mit Schwertern und drei Flügeln und nicht der Alte persönlich. Ich glaube nicht, dass Noah damals etwas besonders richtig gemacht hat, außer ein scheiß Glück zu haben, ein fettes Schiff gebaut zu haben, na und, von denen gibt es heute auch viele.
Ich glaube nicht an das Ende der Welt, ich glaube nicht daran, dass es vorbei ist, weil das Menschen ständig dachten und dann ging es weiter und Menschen denken sich eine Menge, wenn der Tag lang ist, aber überleben doch alles und das hier, das werden auch ein paar von uns überleben und so tun, als wäre nichts gewesen und weitermachen, und Babys machen, und Geld machen und Autos bauen und sich die Nasen umoperieren und glücklich sein. Wer bin ich, dass ich ihnen das nicht gönne oder, egal ob ich draufgehe oder weitermache, ich meine ehrlich jetzt, ich will auch ein bisschen von diesem Glitzer, von diesem Leuchten, das das Leben hat, und ich will nicht, dass es mir geneidet wird und ich werde es niemanden neiden, geht hin und mehret euch und tragt schöne Kleider und weint bei TV Shows und tanzt euch die Füße blutig, tanzt euch die Beine zu Bruch, weil eure Absätze bis zu den Knien gehen und lacht euch tot und küsst euch und liebt euch und verdammte Scheiße, ja, ich finde, das Leben ist ein Geschenk und tut mir leid das jetzt so zu sagen, ja, als wäre ich dreizehn oder aus ner Sekte oder was, aber das hier ist eine verfickt gute Alternative, immer noch, zum Nicht-sein ist es immer noch die beste Option. Ich glaube nicht, dass es vorbei ist, das kann ich gar nicht, da macht mein Gehirn nicht mit. Ich kann mir das nicht denken. Will ich auch nicht.
(Sie schauen sich an.)
(Es klopft.)
Sascha: Ich gehe mal aufmachen.
(Sie steht auf und humpelt zur Tür, macht auf, vor der Tür steht Schura.
Es geht von vorne los.)